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News vom Landesfeuerwehrverband

"Feuerwehr fernab der heimatlichen Grenzen"...

Erstellt von Thomas Meier am 28.11.2012

 

 

Die Militär-Feuerwehr des UNIFIL – Hauptquartiers, Camp Naqoura, Libanon

07:30 Uhr morgens. Pünktliches Antreten für eine Gruppe von Feuerwehrmännern und einer Feuerwehrfrau. Wie bei jedem Dienst, wird zuerst die Vollzähligkeit erhoben und über Neuigkeiten informiert. Danach wird abgetreten, um die Fahrzeuge zu überprüfen. Das Übliche eben. Oder etwa doch nicht? Diese jungen Männer und ihre Kollegin tragen zu ihrer Uniform ein hellblaues Barett, Segeltuch-Feldstiefel und verrichten tagtäglich ihren speziellen Dienst knapp 2.300 km von ihrer Heimat entfernt, beim österreichischen Kontingent der United Nations Interim Force in Lebanon, kurz AUTCON/UNIFIL. Ein kleiner und exklusiver Einblick in die Arbeit einer nicht ganz alltäglichen Feuerwehr, nämlich der südlichsten österreichischen Feuerwehrtruppe weltweit, der Camp Fire Brigade, HQ UNIFIL, Camp Naqoura, Libanon.

 

Zur Einführung.

Die UNIFIL-Mission im Libanon wurde 1978 mandatiert, nachdem Israel in den Südlibanon einmarschiert war. Im Jahr 2006, nach den 33 Tage dauernden Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hisbollah, wurde die UNIFIL massiv verstärkt. Seit damals versehen hier im Südlibanon, auf 1.206km², einem Raum, der größenmäßig vergleichbar mit Ost-Tirol ist (2.019 km²), ca. 12.000 Soldaten und 1.000 Zivilisten aus 38 Nationen mit ca. 650 gepanzerten Gefechtsfahrzeugen, ca. 3.200 Gelände- oder Transportfahrzeugen, einer maritimen Einheit aus 9 Schiffen und einer Hubschrauberstaffel ihren Dienst. Österreichs Beteiligung an dieser Nahost-Mission ist allerdings noch sehr jung.

Das Kontingent des Bundesheeres (AUTCON) wurde erst im November 2011 in den Einsatzraum verlegt und führt dort seitdem die ihm zugedachten Aufträge durch. Diese liegen mit Schwergewicht im gesicherten Transport von Personen und/oder Cargo im gesamten Einsatzraum, der Area of Operations (AOO) von UNIFIL, aber auch hinauf in den Norden bis in die Hauptstadt Beirut. Diese Transporte erfolgen in enger Zusammenarbeit mit der multinationalen Militärpolizei, Unterstützungskräften verschiedener Nationen und der Nationalen Armee. Des Weiteren ist das österreichische Kontingent in den multinationalen Abteilungen des Hauptquartieres vertreten, betreibt internationale Einrichtungen, stellt die Treibstoffversorgung sicher und zeichnet verantwortlich für die Bergung und Instandsetzung von Schadgerät in der gesamten AOO. Last but not least stellt eine Hand voll Österreicher „hauptberuflich“ die „Fire-Brigade“, sprich die Camp-Feuerwehr des Hauptquartiers in Naqoura, wo das AUTCON in einer Stärke von derzeit rund 160 Soldaten und Soldatinnen stationiert ist.

Die Aufgaben der Fire-Brigade sind ausgesprochen vielseitig. Neben dem Vorbeugenden und Abwehrenden Brandschutz innerhalb des Camps und den üblichen Wartungsaufgaben, stellen die Firefighter noch eine 24-Stunden-Bereitschaft, innerhalb dieser auch ein Emergency Response Team, eine Schnelleingreiftruppe für Einsätze in der gesamten AOO und eine Flugbereitschaft bei Starts und Landungen. Darüber hinaus können sie auch von zivilen Stellen für Hilfeleistungen innerhalb der AOO angefordert werden, was allerdings eine Genehmigung durch das Hauptquartier voraussetzt. Außerdem organisieren die Feuerwehrkräfte spezielle Fire-Safety-Trainings für Bedarfsträger wie Brandschutzbeauftragte und Heliport-Manager und halten sich auch selbst mit regelmäßig stattfindenden Einsatzübungen, den Fire-Drills, für den Einsatz fit.

 

Das Aufgabenspektrum.

Der Haupteinsatzbereich der Fire Brigade, das Camp Naqoura, besteht aus zwei Teilen: zum einen gibt es einen älteren Teil entlang des Mittelmeeres, der etwa 2 km lang und etwa 200 m breit ist und der sich hauptsächlich aus älterer baulicher Substanz in Fest- als auch in Containerbauweise, in sehr knapper räumlicher Nähe zueinander, zusammenstellt. Zum anderen gibt es am benachbarten „Green Hill“ eine moderne Erweiterung des Camps, in dem sich neben diversen Werkstätten für PKW, LKW und Spezialfahrzeuge, mehrere Gas- und Treibstofflager wie auch ein Hubschrauber-Flugplatz befinden. Dort ist auch die Feuerwache der Camp-Fire-Brigade untergebracht. (Anm.: eventuell ergibt sich nach einem Blick auf Google Earth eine bessere Vorstellung der räumlichen Ausdehnung des UNIFIL HQ Naqoura.) Diese besondere Mischung aus teilweise älterer Bausubstanz, damit verbunden natürlich auch Strom- und Wasserleitungen in einem entsprechendem Zustand, Werkstätten, Gefahrenstofflagern und einem Flugfeld macht den Aufgabenbereich der Camp-Feuerwehr fordernd und abwechslungsreich zugleich.

Für genügend Abwechslung ist gesorgt. Einsätze, die oftmals aus besagter älterer baulicher Substanz resultieren, Verkehrsunfälle, Brände, die einen Container in Minuten zu einem Backofen werden lassen, Außeneinsätze in Gebieten mit unklarer Minenlage, die Flughafensicherung- Einsätze unterschiedlichster Art und Häufung zu jeder Tages- und Nachtzeit halten die Männer und die Frau der Camp-Feuerwehr einsatzmäßig auf Trab. Man sollte es kaum glauben, aber auch hier gibt es die berühmte „Katze auf dem Baum“, die es zu retten gilt. Mangels Bäumen in der eher kargen Landschaft verkrümeln sich die hiesigen Katzen aber eher auf Strommasten, die aufgrund blanker Leitungen und instabiler Befestigung nicht gerade gefahrlos zu erklettern sind. Langeweile kommt also keine auf. Um die ganze Sache abzurunden absolvieren die Firefighter neben ihren Einsätzen und feuerwehrspezifischen Übungen auch noch ihr regelmäßiges Training des militärischen Handwerkzeuges, da jeder der eingesetzten Feuerwehrmänner und –frauen auch vollwertiger Soldat(-in) ist. Dazu gehören für die Feuerwehr neben ihren brandschutztechnischen Aufgaben nicht nur das Exerzieren oder das Tragen einer Uniform (welche hier im sommerlichen Libanon für die FW dunkelblau und für den Rest der Soldaten nicht olivgrün sondern beige ist). Auch das regelmäßige Training an ihren Waffen, welche die Firefighter übrigens neben Schutzweste und Kampfhelm bei jeder Ausrückung außerhalb des Camps zusätzlich mit sich führen muss absolviert werden.

Dieser „Dresscode“ ergibt sich neben der angespannten Sicherheitslage nicht zuletzt aus dem Umstand, dass die kürzeste Entfernung vom Camp zur sogenannten „Blue Line“ nur ca. 1,3 km beträgt. Die „Blue Line“ ist die von Israel und dem Libanon akzeptierte Trennlinie, hinter die sich die israelische Armee im Jahr 2000 zurückgezogen hat. Eine offizielle Grenze existiert nicht, da sich beide Länder nach wie vor im Kriegszustand befinden und der Libanon den Staat Israel nicht anerkennt. Wer sich aber angesichts der Aufgaben der Camp-Fire-Brigade eine Wache mit zig Firefightern erwartet, wird überrascht sein zu lesen, dass die Campfeuerwehr aus nur 10 Feuerwehrleuten besteht.

Im Detail einem Fire-Marshall, drei Teamleadern und sechs Firefightern (darunter auch eine Feuerwehrfrau). Allesamt übrigens Berufssoldaten der ABCAbwKp/StbB 7 in Graz und der ABCAbwKp/PzStbB 4 in Linz.

 

Steirer an der Feuerwehrspitze.

Um die Schlagkraft garantieren und seinen Leuten aber auch erleichterte Bereitschaft und Sport ermöglichen zu können, hat der Fire-Marshall Hptm. Franz FRAISS, der im „zivilen Leben“ Feuerwehrkommandant-Stellvertreter der FF Mürzhofen ist, drei Bereitschaftsstufen mit unterschiedlichen Ausrückzeiten festgelegt.

  • Rot: 5 Min. mit Überwachung des Notruftelefons, Sport eingeschränkt möglich
  • Blau: 10 Min., von dieser Mannschaft wird auch die Flugbereitschaft gestellt.
  • Grün: Reserve, muss aber im Camp und erreichbar sein.

Diese Ausrückzeiten sind aber alle als Maximalzeiten zu verstehen. In der Praxis ergibt sich eine beachtliche Ausrückzeit von 1-2 Minuten ab Alarm. Ein Verlassen des Camps ist für die Firefighter somit eigentlich nur selten möglich und wenn Feuerwehrleute Sonderurlaub haben, müssen die restlichen Teile das Fehlen der Mannschaft kompensieren. Unter Berücksichtigung eines Rettungstrupps und eventuell fehlender Mannschaft beträgt die Stärke eines Atemschutztrupps im schlimmsten Fall gerade einmal 1+1, sprich 1 Teamleader und 1 Firefighter, was aber als absolute Mindeststärke zu sehen ist. Ausgeglichen wird dieser Umstand von sechs freiwilligen Helfern, welche je nach Verfügbarkeit zu Einsätzen hergezogen werden können. So gering die Mannschaftsstärke auch sein mag, so beeindruckend ist hingegen der ihnen zur Verfügung stehende Fuhrpark.

  • 1 Kommandofahrzeug, ein Toyota Hilux, in einer Sonderausführung mit Kleinlöschgeräten für einen schnellen Erstangriff.
  • 2 FLF, Flughafenlöschfahrzeuge, Mercedes Actros
  • 1 TLF, Renault
  • 2 Wasserversorgungsfahrzeuge, Renault

Die Camp-Feuerwehr hat somit ständig insg. 2.500 Liter Schaummittel, 500 kg Löschpulver und 58.000 Liter Wasser auf Achse, was angesichts der Tatsache, dass der stärkste Hydrant im Camp gerade einmal 380 l/Min. Wasser liefert, auch dringend notwendig ist. In diesen Breitengraden wartet der Alltag einer Feuerwehr aber mit teils noch weit spezielleren Schwierigkeiten auf. Allem voran steht natürlich die schwierige Wasserversorgung durch ständige Wasserknappheit und ein schwaches Hydrantennetz, aber auch die Minenlage in der AOO, welche einen vermeintlich simplen Wiesenbrand zu einem herausfordernden Einsatz werden lässt. Daneben ergeben sich viele Einsätze durch die im arabischen Raum geringeren Sicherheitsstandards, die nicht mit europäischen Standards vergleichbar sind und einem Straßenverkehr der in Österreich nicht vorstellbar wäre.

Richtungsfahrbahnen, Ampelsignale oder gar Fahrspuren werden ebenso wenig eingehalten wie Geschwindigkeitslimits oder Vorrangregeln. Auch bei den Punkten Versorgung und Wartung müssen die Feuerwehrleute ihrem Ruf entsprechend kreativ sein. So schaffen sie es beispielsweise nur mit erheblichem Aufwand, die vorgeschriebenen regelmäßigen Überprüfungen des österreichischen Equipments und der Atemschutzgeräte einzuhalten.

Als besondere Erschwernis zeigt sich auch das hiesige Klima, welches das Arbeiten der Feuerwehr nicht unbedingt erleichtert. Bei Temperaturen über 40°C und einer Luftfeuchtigkeit um die 70% bedeuten schon relativ leichte Tätigkeiten eine enorme körperliche Anstrengung. Jeder Feuerwehrmann, der schon einmal bei einem Zimmerbrand mit schwerer Ausrüstung und Atemschutz in ein höher gelegenes Stockwerk laufen und dort arbeiten musste, kennt die Belastung, die dabei auf Körper und Psyche einwirkt, nur zu gut. Was diese Belastungen aber auf Meeresniveau und in Verbindung mit den hiesigen klimatischen Bedingungen bedeuten, kann man sich wohl vorstellen. Disziplin, natürliche Härte, Eigenengagement und feuerwehrtypische Attribute wie Improvisationsgabe und Einfallsreichtum sind gefragt.

 

Besonderheiten im Einsatzfall.

Eine weitere Besonderheit zeigt sich bei der Anfahrt zu Alarmadressen. Zwar gibt es innerhalb der beiden Camps Haupt- und Nebenstraßen, jedoch haben diese keine Namen und von daher die unzähligen Gebäude eben auch keine Adressen. Aber auch für dieses Problem haben die Firefighter des Camps Naqoura eine simple Lösung gefunden. Sie haben jedem Gebäude, jeder Containerreihe, jedem Schuppen oder jedem Verschlag eine sog. Building-Number zugeteilt, die sie dann feinsäuberlich auf einer großen Karte ihres Ausrückbereiches eingetragen haben. Diese Nummern wurden auch an den jeweiligen Gebäuden angebracht und somit kann jeder Hilferuf zielgenau gemeldet und schnell angefahren werden. Dieser Einfallsreichtum spiegelt sich auch in der Unterkunft der Feuerwehrleute wider.

So haben sie es geschafft, aus einer Fahrzeughalle und den Nebengebäuden eine Feuerwache und ein zweites Zuhause zu zaubern, das bei Ausstattung und Komfort zwar standortbedingte Abstriche einstecken muss, sich davon abgesehen aber in punkto Gemütlichkeit vor keiner Feuerwache in Österreich zu verstecken braucht. So findet sich in diesem Gebäude außer der nach vorne offenen Fahrzeughalle auch eine Werkstatt, einige Lager für diverses Material und neben der Einsatzzentrale des Fire-Marshalls sogar ein Aufenthaltsraum mit einer einfachen Kochmöglichkeit. Gleich daneben und maximal 10m von ihren Einsatzfahrzeugen entfernt: die Schlafräume der Wachebesatzung. Auch der Außenbereich der Wache ist deutlich von der Handschrift der Feuerwehrleute geprägt, die sich darauf verstehen, mit nur wenigen Mitteln viel zu schaffen. So haben sie sich selbst eine schwere hölzerne Sitzgarnitur gebaut, ein kleines Sonnendach darüber gezimmert und auch einen Griller gemauert, der aus Steinen der Umgebung und einem halben Metallfass besteht. Auch ein bisschen Grün braucht man nicht zu vermissen, denn neben Kakteen und gepflegten Sträuchern findet sich dort sogar ein kleiner Kräutergarten. Weit weg von zuhause, weit ab von schneller Versorgung, mit Rücksicht auf die Gefahren in dieser Region und mit eingeschränkten materiellen und personellen Ressourcen zu leben und zu arbeiten, verlangt von jedem Einzelnem sehr viel Eigenengagement und Einsatzbereitschaft.

Ob nun als Soldat, als Feuerwehrmann, ob Mann oder Frau, egal welchen Dienstgrades. Ein Auslandseinsatz ist keinesfalls ein Job wie jeder andere…


Text und Fotos zur honorfreien Veröffentlichung übermittelt von HBI Peter Karhofer, FF Mürzhofen


 

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