Festakt in St. Lorenzen – die Katastrophe jährt sich zum ersten Mal
Erstellt von Thomas Meier am 09.06.2013
Die Katastrophe von St. Lorenzen im Paltental jährt sich am 21. Juli 2013 zum ersten Mal. Mit einer Feldmesse und einem Festakt wurde am Samstag, dem 8. Juni 2013, dieser verheerenden Stunden gedacht.
Samstagvormittag, 8. Juni 2013. Die Sonne strahlt, ein lauer Wind weht. Das erste Wochenende seit langem, das schönes Wetter, beinahe sommerlich, garantieren sollte. Ideale Voraussetzungen für das traditionelle Feuerwehrfest in St. Lorenzen im Paltental. Doch: dieser besagte Samstag ist vor allem jener Tag, an dem sich Bewohner, Einsatzkräfte, Ehren- und Festgäste mit einem Tag der Geschichte des obersteirischen Ortes auseinandersetzen, der das Leben mit einem Schlag verändern sollte.
Es war der 21. Juli 2012. Eine Schlamm- und Gerölllawine brach über den Ort herein. Diesem Schicksalstag wurde von den Anwesenden mit einer Festmesse, zelebriert von Pater Michael Robitschko, sowie anschließendem Festakt gedacht. Es war ein Tag des Erinnerns, es waren Stunden des „Dankes“. Die Worte, die Walter Danklmeier, Kommandant der FF St. Lorenzen gleich zu Beginn an die zahlreichen Festgäste richtete, sorgten für Schaudern: „Es ist 05.10 Uhr am Morgen. Ich stehe nach einem zehnstündigen Feuerwehreinsatz am Balkon meiner Wohnung. Plötzlich – das Licht flackert, der Boden vibriert. Im Augenwinkel sehe ich stehende Bäume, wo im Normalfall keine sind. Ich sehe Geröllmassen und unglaublich viel Wasser dem Bachverlauf des Lorenzerbaches, auf den Straßen und den angrenzenden Grundstücken entlang schießen“.
Während Danklmeier diese Worte an das Publikum richtet, herrscht ringsum gespenstische Stille. Nahezu wohl ähnlich ruhig, wie jener Augenblick, den Feuerwehrkommandant weiterführend erzählt. „Plötzlich wird es für einen Augenblick ruhig, es folgt ein Knarren, dann ein ohrenbetäubender Knall, ähnlich einer Explosion. Die Brücke, die sich wenige Meter von Danklmeier entfernt befindet, berstet unter den Tonnen von Schlamm und Geröll. Der Schlamm bahnt sich seinen Weg durch St. Lorenzen und hinterlässt eine Spur der Verwüstung. Was blieb war Zerstörung und Ohnmacht. Die Gewalten der Natur brachten Veränderungen. In wenigen Augenblicken. Für den Ort, vor allem aber für die Menschen, die in diesem leben. Häuser wurden zerstört, ganze Gebäude weggerissen. Lebenswerke waren auf einmal nicht mehr da. Autos und Traktoren wurden Richtung Tal gespült oder unter meterhohen Trümmern begraben.
„Was aber folgte“, so Danklmeier weiter, „war eine zweite Welle. Eine Welle der Hilfsbereitschaft. Einsatzkräfte aus Nah und Fern rückten an, das Bundesheer entsandte Hilfskräfte, die Behörden stellten einen Krisenstab auf, Privatpersonen halfen oder brachten Spenden, Freunde und Familien der Betroffenen packten mit an, Firmen bewiesen ihre Unterstützung.“
Bei Hunderten Gästen wurden Erinnerungen wach. Viele sind gekommen. Feuerwehrmitglieder aus dem ganzen Bezirk Liezen mit dem stellvertretenden Bereichsfeuerwehrkommandant Brandrat Heinz Hartl sowie den Abschnittsfeuerwehrkommandanten des BFV Liezen an der Spitze. Behördenvertreter mit Hofrat Dr. Kurt Kalcher und Triebens Bürgermeister Helmut Schöttl an deren Spitze, gefolgt von Triebens Vizebürgermeister Ing. Helmuth Distlinger und DI Diter Harzl samt den Stadt- und Gemeinderäten. Feuerwehrmitglieder aus dem Bereichsfeuerwehrverband Feldbach, die in Lorenzen im Katastropheneinsatz standen. Repräsentanten vom Österreichischen Roten Kreuz, der Polizei, der Bergrettung sowie der Wildbach und Lawinenverbauung. Oberst Rudolf Wabnegg und Vizeleutnant Josef Pfeifer waren stellvertretend für alle in Lorenzen eingesetzten Kräfte des Österr. Bundesheeres gekommen. Die Gästeliste an diesem Vormittag war lang – wie auch die Welle der Hilfsbereitschaft, die dem Ort und seinen Bewohnern neuen Mut gab.
Brandrat Heinz Hartl, damals als einer der ersten Bereichsfeuerwehroffiziere vor Ort, erinnerte in seinen Ausführungen unter anderem an die Herausforderung, „in kürzester Zeit existenzielle Entscheidungen treffen zu müssen, deren Auswirkungen im Nachhinein häufig nicht nur analysiert werden, sondern vielfach – in Unkenntnis der Zusammenhänge – gar kritisiert werden“. Für Hartl hat sich im Besonderen die „Teamarbeit als Gebot der Stunde bewährt, wenn angesichts der scheinbar unlösbaren Aufgaben und Herausforderungen eines unvorstellbaren Entscheidungsdruckes die psychischen und physischen Grenzen des Einzelnen erreicht sind“. Ferner überbrachte der stellvertretende Bereichsfeuerwehrkommandant den Dank des Bereichsfeuerwehrverbandes Liezen an alle eingesetzten Kräfte sowie die Grüße des Landesfeuerwehrkommandanten Präsident des ÖBFV LBD Albert Kern und LBDS Gerhard Pötsch, deren Vertretung er „an diesem historischen Tag und an diesem historischen Ort“ übernehmen durfte und zeigte sich über diese Geste der beiden Landesfeuerwehrkommandanten - als damaliger Einsatzleiter des BFV Liezen - besonders erfreut.
Triebens Bürgermeister Helmut Schöttl überbrachte in seiner Festansprache den Dank der Stadtgemeinde Trieben an alle Helferinnen und Helfer, wiewohl sich in seinen Ausführungen auch kritische Gedanken wiedergefunden haben. „Während 99 Prozent der Betroffenen glücklich und dankbar für die Hilfe sind, die geleistet wurde, so gibt es auch Manche, denen man es überhaupt nicht recht machen kann“ und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die noch offenen, jedoch zugesagten, Finanzmittel des Bundes „bald ihren Weg über den Wechsel finden und in Graz eintreffen“.
Hofrat Dr. Kurt Kalcher, Leiter der Abteilung 20 Katastrophenschutz und Landesverteidigung, befand sich zum Unglückszeitpunkt gerade auf einer Bergwanderung in den Dolomiten. Mit den Worten „St. Lorenzen ist abgefahren“ wurde er von der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde vom Unglück verständigt und brach umgehend in das Katastrophengebiet auf. In seiner Grußadresse hob er im Besonderen die gute Zusammenarbeit und das Miteinander zwischen Behörde und Einsatzorganisationen hervor.
Weiterer Höhepunkt des Festverlaufs war die Auszeichnung dreier verdienter Feuerwehrmitglieder der FF St. Lorenzen, die ihre Auszeichnung stellvertretend für alle örtlichen Feuerwehrmitglieder entgegen genommen haben. Feuerwehrkommandant HBI Walter Danklmeier, wie auch seinen Stellvertreter OBI Rene Waldsam, wurde von Brandrat Heinz Hartl das Verdienstzeichen des Landesfeuerwehrverbandes Steiermark der Stufe 2 verliehen. Ehrenhauptbrandinspektor Werner Bratter wurde mit der Katastrophenhilfsmedaille in Bronze ausgezeichnet.
Für Lorenzens Feuerwehrkommandanten Walter Danklmeier ist es schwer, sein „Gefühl der Dankbarkeit in Worte zu fassen und so versuche ich es einfach und pauschal: ein herzliches Dankeschön allen, die uns hier in St. Lorenzen zur Seite standen und oftmals noch immer stehen. Ohne euch würde unser Dorf noch nicht wieder so aussehen“. Für ihn ist das größte Wunder, dass St. Lorenzen trotz der erlittenen Zerstörung kein einziges Todesopfer zu beklagen hatte.
Bericht und Fotos: Thomas Meier und Franz Fink